Stumme Zeitzeugen

Heute war ein sehr bedrückender Tag. Mit Kambodschas jüngster Geschichte hat uns auch die eigene ein bisschen eingeholt. Mit unserem TukTuk-Fahrer machen wir uns auf den Weg, mehr über das Schreckens-Regime der Roten Khmer zu erfahren. Von 1975 – 1979 unter der Führung von Pol Pot hat das Land seine schlimmsten Zeiten durchlebt. Unter der Maßgabe, aus Kambodscha einen kommunistischen Bauernstaat machen zu wollen, mussten alle Bewohner Phnom Penhs unter Androhung der Todesstrafe die Stadt verlassen, um als Landarbeiter oder Bauern dem Gemeinwohl zu dienen. Demnach wurden vor allem Intellektuelle und Regime-Kritiker zunächst inhaftiert und nach Folterung hingerichtet. Mit diesem Wissen über das dunkelste Kapitel Kambodschas stoppen wir zuerst am Tuol Sleng Gefängnis. Die ehemalige Schule wurde zur Zeit der Roten Khmer zu einem Folter-Gefängnis umfunktioniert. In drei Blöcken trifft uns mit aller Wucht, was dort über mehr als 4 Jahre hinweg passiert ist. Viele der Räume sind unverändert, sind stumme Zeitzeugen und erzählen dennoch grausame Geschichten. Auf tausenden Bildern blicken wir in die Augen ehemaliger Häftlinge, ein Gefühl der Ohnmacht herrscht hier. Es braucht kein Wort um auch nur annähernd zu begreifen, was hier passiert sein muss. Etwa 20.000 Menschen aus dem ganzen Land waren an diesem Ort inhaftiert, nur 7 überlebten. Zu Beginn des dritten Blocks verlässt mich die Kraft. Ich habe das Bedürfnis den Ort zu verlassen. Auf dem Weg nach draußen werde ich noch einmal von meinen Emotionen übermannt, jedoch auf andere Art. An einem Tisch hinter einer Menge von Bildbänden und Büchern sowie einer Info-Tafel über die Überlebenden sitzt er dann. Genau dieser, über dessen Leid ich eben noch einen autobiografischen Text gelesen habe. Einfach so…an der wahrscheinlich schlimmsten Stätte seines Lebens. Ein alter Mann, der seine Bücher bewirbt und dann in die Runde über den Mord an seiner Frau erzählt, den er in einem der Bücher bildlich dargestellt hat. Es steht mir bei Weitem nicht zu, darüber zu urteilen. Aber diese Szene brennt sich ein und ich frage mich immer wieder, wie man so selbstverständlich an einen derart grausamen Ort zurückkehren kann. Schweigend fahren wir weiter zu den „Killing Fields“ Choeung Ek. Außerhalb der Stadt befindet sich diese Massengrabstätte als Relikt der Schreckensherrschaft. Bittersüß kommt es mir vor. Wie ein riesiger Park…Bäume, Blumen, in der Mitte ein See. Es ist so ruhig hier. Mit Audioguide machen wir einen Rundgang und so richtig erzählen mag ich darüber nicht. Ich finde auch keine Worte für das, was hier passiert ist und die Gefühle die es in mir auslöst. Erleichterung stellt sich auch nicht recht ein, als wir dann am Nachmittag zurück in die Stadt fahren. Ich möchte jetzt nur noch nach Hause. Man reflektiert die Geschichte und ein Stück weit sich selbst. Ich glaube der heutige Tag ist einer, der sich auf unserer Reise besonders festsetzen wird. Und genau so ist es auch richtig.


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